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Zeit zu sterben! Was Trump und Musks Abwicklung von USAID für Menschen mit HIV bedeutet

Der Artikel „Trump and Musk’s Message to USAID: Time to Die“ des Online Magazins Health Policy Watch beleuchtet die besorgniserregenden Entwicklungen in der US-amerikanischen Entwicklungspolitik unter dem Einfluss von Donald Trump und Elon Musk. Die Autoren argumentieren, dass die Kürzungen der Mittel für die US-Agentur für internationale Entwicklung (USAID:  das Pendent unseres Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und die Abkehr von globalen Gesundheitsinitiativen, verheerende Auswirkungen auf die weltweite Gesundheitsversorgung haben könnten. Insbesondere für Menschen mit HIV im globalen Süden stellen die Entwicklungen eine existenzielle Bedrohung dar. Die HIV-Therapie von 20 Millionen Menschen mit HIV wird durch USAID finanziert. In dem Beitrag von Peter Wiessner wird der Artikel von Health Policy Watch zusammengefasst und ergänzt.

Die ersten Schritte der Trump-Administration

Bereits in der ersten Tagen nach dem Wahlsieg Trumps wurden zahlreiche präsidiale Exekutivverordnungen erlassen, die das Leben von Millionen Menschen erschweren werden. Dazu gehörten der Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Pariser Klimaabkommen, die Leugnung der Existenz von transgender, nicht-binären und intersexuellen Menschen sowie die Streichung aller Programme für Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion. Der Kampf gegen die offene Gesellschaft ist aufgenommen, die Zielrichtung überdeutlich: Wir kennen entsprechende Maßnahmen aus Russland und anderer autoritärer Staaten.

Zwischendurch wurde die Weltöffentlichkeit mit Themen wie Panamakanal, Die Vereinnahmung von Kanada und Grönland, die Umbenennung des Golfs von Mexiko, mit Riviera Phantasien zur Zukunft des Gazastreifens und mit der Drohung von Zollerhebungen unterhalten. Täglich gibt es Neues. Das Chaos ist groß, man kann kaum mehr mithalten und wird zunehmend müde, jeden Morgen neue Horrormeldungen auf den Tisch zu bekommen: Nach Naomi Kleins „The Schock Doctrine“ hat die Vorgehensweise Trumps durchaus Methode: ist die Bevölkerung erst einmal verwirrt und erschöpft, werden radikale Veränderungen möglich. Wer zu erschöpft ist kann kognitiv was vorgeht nicht mehr erfassen. Was Trump mit dieser Strategie vorhat, ist der Umbau der Demokratie in eine Autokratie: Russland, China und Nordkorea lassen grüßen. Die Begeisterung Trumps für Autokraten ist seit langem bekannt. Jetzt ist es ernst und der Ausgang ist offen.

Am 20. Januar 2025 folgte eine weitere Exekutivverordnung, die alle laufenden Auslandshilfeprogramme der US-Regierung einfror. Gestrichen wurden auch vom Kongress genehmigte Budgets.  Dies führte dazu, dass das internationale PEPFAR-Programm (President’s Emergency Plan for AIDS Relief) über Nacht eingestellt wurde. PEPFAR wurde 2003 von Präsident Bush ins Leben gerufen. Durch das Programm  wird die antiretrovirale Therapie (ART) für mehr als 20 Millionen Menschen mit HIV aus dem globalen Süden finanziert. Zudem unterstützt PEPFAR zahlreiche Kliniken und Gesundheitsprogramme. Der dadurch angerichtete Schaden und der Vertrauensverlust, den die USA dadurch erzielen, ist immens.

Buchtitel, Naomi Klein, UNAIDS, USAID

Recht und Gesetz werden auf den Kopf gestellt

Eingefädelt und umgesetzt hat die Abwicklung von USAID der Tech Milliardär Elon Musk. Für ihn und für Donald Trump gilt USAID als „kriminelle Vereinigung“. Erstaunlich wie schnell Realitäten und Wahrheiten auf dem Kopf gestellt werden können, wenn verurteilte Verbrecher die Macht übernehmen. Es bewahrheitet sich wieder einmal, dass genau das Gegenteil von dem wahr ist, was Trump behauptet: nicht USAID ist kriminell, sondern die Person, die dies ausspricht. Angebrochen ist auch nicht das „goldene Zeitalter“, sondern das Gegenteil davon. Es ist unheimlich, wie schnell und konsequent die Trump Administration dabei neue Realitäten schafft. Unwillkürlich fühlt man sich mit dem, was derzeit in den USA vor sich geht, an 1933 erinnert. Margaret Atwoods Dystopie „Der Report der Magd“ lässt grüßen. 

Erstaunlich ist auch, dass die Vorgänge in den USA nicht nur Autokraten und Hardlinern, wie den argentinischen Präsidenten Javier Milei oder Ungarns Premier Viktor Orbán faszinieren. Auch Politiker*innen demokratischer Parteien in Deutschland fühlen sich scheinbar davon angezogen: So plant nun auch die CSU, veröffentlicht in ihrer „Bayern-AGENDA“, die deutsche Entwicklungshilfe massiv zu kürzen und sie nur noch nach „nationalen“ Interessen auszurichten (was immer das sein mag). Siehe dazu auch die Pressemitteilung von medmissio.

Vom „Faszinosum“ Trump scheint auch Kanzlerkandidat Merz angeregt und beeindruckt zu sein: oder wie soll man das nervös verabschiedete „Sofortprogramm“ interpretieren, mit den sofort nach der Bundestagswahl Migrationspolitiken durchgesetzt werden sollen, die zwar der „Stammtischhoheit“, nicht aber europäischem Recht entsprechen? Ob sich Kanzlerkandidat Merz bereits nach dem Vorbild Trumps darin übt, seine Kugelschreiber nach der Unterzeichnung in die johlende Menge zu werfen?

Und „alles lässt sich ändern“, benennt die FDP ihre Plakatkampagne zur Bundestagswahl: wahrscheinlich auch hier beeindruckt von der Radikalität der Veränderungen in den USA und ein Seufzen darüber, dass das in Deutschland viel zu langsam vor sich geht, trotzt minutiös geplantem Ausstieg aus der Koalition, „offener Feldschlacht“ und „D-Day“.  Wie wahr und geschichtsblind!    

Unmittelbare Auswirkungen auf Menschen mit HIV

Doch nun zurück auf die Auswirkungen der Schließung von PEPFAR und die dramatischen Folgen für Menschen mit HIV, deren Überleben davon abhängt:

  • Unterbrechung der HIV-Therapie: Täglich werden mehr als 220.000 Menschen, darunter etwa 7.500 Kinder, gezwungen, ihre ART abzubrechen. PEPFAR unterstützt derzeit fast 670.000 schwangere Frauen mit ART. Eine Unterbrechung der Dienste für 90 Tage könnte dazu führen, dass 135.000 Babys mit HIV geboren werden.

  • Rückschritt im Kampf gegen HIV: Die Unterbrechung der ART gefährdet die Fortschritte, die im Rahmen der U=U-Strategie („Undetectable = Untransmittable“) erzielt wurden. Zudem könnte dies die kommerziellen Märkte destabilisieren, die den jährlichen Preis für ART auf weniger als 50 US-Dollar pro Person gesenkt haben.

  • Betroffene Länder: Die Länder, die am stärksten von der Einstellung von PEPFAR betroffen sind, sind Südafrika, Mosambik, Kenia, Tansania, Uganda, Nigeria und Simbabwe. PEPFAR beschäftigt mehr als 270.000 Gesundheitsarbeiter, die alle ihre Arbeit einstellen mussten. Alleine in Uganda müssen sich derzeit 1,2 Millionen Menschen mit HIV Sorgen darüber machen, wie es mit ihrer HIV-Therapie weitergeht. Dass homophobe Regierungen weiterhin Programme für LGBTIQ- und andere missliebige Zielgruppen unterstützen, darf bezweifelt werden.

Neben den dramatischen Folgen für Menschen mit HIV betrifft der Stopp auch andere Gesundheitsprogramme. So werden lebenswichtige Impfkampagnen für Mütter und Kinder unterbrochen und Programme zur Bekämpfung von Vogelgrippe und Marburg-Fieber eingestellt. Das Internationale Rettungskomitee (IRC) musste bereits Gesundheitszentren für zehntausende Geflüchtete entlang der thailändisch-myanmarischen Grenze schließen. Die davon betroffenen Patient*innen, darunter schwangere Frauen und schwerkranke Menschen, verloren über Nacht ihre Gesundheitsversorgung.

Politische Begründung und weitere Maßnahmen

Trump begründet die Exekutivverordnung der Einstellung der Auslandshilfe mit dem Mandat: „America first!“.  Die öffentliche Politik soll von nun ab nur noch auf Ideen basieren, die der neuen Ideologie entsprechen. Länder, die entsprechend der Ideologie nicht „vollständig ausgerichtet“ bzw. gleichgeschaltet sind, erhalten keine weitere Hilfe. Verhängt wurde eine sofort geltende 90-tägige Pause für alle Ausgaben, solange, bis das Office of Management and Budget (OMB) überprüft, ob die aktuellen Programme mit der Politik der neuen Regierung übereinstimmen.

Am 24. Januar 2025 wies USAID alle Vertragsmitarbeiter- und Implementierungspartner*innen an, Anweisungen zum sofortigen Arbeitsstopp zu erteilen und laufende Auszahlungen auszusetzen. Dies wurde von weiteren Direktiven begleitet, die leitende Mitarbeiter*innen in den administrativen Urlaub schickten, externe Kommunikation verhinderten und die PEPFAR-Datenbank offline nahmen. Mitarbeiter*innen wurden ohne Vorankündigung entlassen, Kliniken geschlossen.

Reaktionen und vorläufige Lockerungen

Am 26. Januar 2025 erklärte Außenminister Marco Rubio in einer Pressemitteilung, dass jede Ausgabe, jedes Programm und jede Politik drei einfache Fragen beantworten müsse: „Macht es Amerika sicherer? Stärker? Wohlhabender?“

Am 29. Januar 2025 kündigte Rubio eine vorläufige Ausnahmeregelung an, um „lebensrettende humanitäre Hilfsprogramme“ fortzusetzen. Diese Ausnahme ist jedoch vage formuliert und könnte primär für Gaza oder Naturkatastrophen gedacht sein. Es bleibt unklar, ob PEPFAR davon profitiert.

Langfristige Folgen und internationale Reaktionen

Die WHO und UNAIDS warnen, dass die aktuellen Entscheidungen der Trump-Regierung Jahrzehnte der Fortschritte in der HIV-Arbeit zunichtemachen könnten. Ein dreimonatiges Aussetzen der Therapie kann zu irreversiblen Schäden führen. Wird die Therapie unterbrochen, steigt das Risiko der Übertragung von HIV auch auf Babys während der Schwangerschaft, Geburt und durch Stillen – mit weitreichenden Konsequenzen für die globale Gesundheit.

Medmissio, das Aktionsbündnis gegen AIDS, Misereor und die Deutsche Aidshilfe fordern die sofortige Rücknahme des Finanzierungsstopps, die uneingeschränkte Fortführung von PEPFAR und anderen lebenswichtigen Gesundheitsprogrammen, sowie die Wiederherstellung von USAID. „Die internationale Gemeinschaft muss geschlossen gegen diesen fatalen Kurs der US-Regierung protestieren. Leben dürfen nicht zum Spielball politischer Entscheidungen werden“, betont Ellen Schmitt, Gesundheitsreferentin bei Misereor in der Pressemitteilung.

Wie geht es weiter mit dem Menschenrecht auf Gesundheit?

Die Botschaft von Trump und Musk an USAID – „Zeit zu sterben“ – ist nicht nur ein Angriff auf die globale Gesundheitsversorgung, sondern auch ein Angriff auf das Menschenrecht auf Gesundheit. Sie ist eine direkte Bedrohung für das Leben und das Wohlbefinden von Millionen mit HIV lebenden Menschen.

Dass die internationale HIV-Community und die Zivilgesellschaft auf diese Entwicklungen entscheiden reagiert, sich solidarisch zeigt und sich vehement für die weitere Finanzierung von HIV-Programmen einsetzt, wird dabei von zentraler Bedeutung sein. Von Kürzungen bedroht sind auch UN Organisationen, die weiterhin auf menschenrechtliche Prinzipien, Diversität und Community-Orientierung setzen und die nur verdeckt agieren können, da sie befürchten müssen, auf der Abschussliste Trumps zu stehen.

Glückwunsch an dieser Stelle vor allem auch an UNAIDS, die sehr schnell reagiert hat und in ihren Botschaften herausarbeitet, was es im Einzelnen für Menschen mit HIV bedeutet, sollten die Mittel, die durch PEPFAR zur Verfügung gestellt wurden, tatsächlich komplett wegfallen.

UPDATE vom 6.2.25: Wie schon oben erwähnt, ändern sich die Trump’schen Vorgaben fast schon im Stundentakt. Nun wurde ein Dokument veröffentlicht, das bestätigt, dass die Versorgung für Menschen mit HIV im Rahmen des PEPFAR-Programms zwar weitergeht (zumindest für die 90 Tage, die die Überprüfung dauern soll), dass aber PrEP-Programme nur noch für HIV-negative, schwangere oder stillende Mütter weitergeführt werden. Alle anderen PrEP-Programme werden mit sofortiger Wirkung eingestellt. Und natürlich auch alles, was im weitesten Sinne mit Empfängnisverhütung oder Abtreibung zu tun hat. Aber selbst da, wo Programme weitergeführt werden, wurde viel Unsicherheit gesät, Vertrauen zerstört und Schaden angerichtet.

Quellen: 

Health Policy Watch. Stefan Anderson: Trump, Musk Tell USAID: ‘Time to Die https://healthpolicy-watch.news/trump-and-musks-message-to-usaid-time-to-die/
Pressemitteilung: https://www.aids-kampagne.de/presse/pressemitteilungen/2025-02-05-kahlschlag-der-globalen-gesundheitsversorgung

Pressemitteilung medmissio: https://www.medmissio.de/allgemein/csu-will-entwicklungshilfe-kuerzen-mit-drastischen-folgen/

Update vom 6.2.25: https://www.unaids.org/sites/default/files/media_asset/GHSD_PEPFAR-Limited-Waiver-Approved-Activities.pdf

Peter Wiessner
Februar 2025

Kontakt: wiessner@aktionsbuendnis-aids.de